So wie immer vielen Dank für alle Kommentare. Ich werde mal schauen, wie ich eure Anregungen einbauen kann. Nächste Woche ist übrigens noch nicht sicher, ob ich jeden Tag einen neuen Teil liefern kann und bitte um Verständnis. Aber jetzt wieder immer viel Spaß.
Teil IV
Während sich Daniel in Vanessas marmorgefliestem Bad auf die erste gemeinsame Nacht vorbereitete, flimmerte sein Herz vor Aufregung. Als er sich im Spiegel betrachtete, der in etwas kitschigem Rokokostil gehalten war, fiel ihm eine tief greifende Müdigkeit auf, die sein Gesicht zeichnete. Seine Lider schienen schwer zu sein, die Augen waren leicht unterlaufen auch ob der vielen Tränen, die er heute vergossen hatte und er kam sich selbst unverkennbar kleiner vor als noch am Morgen. Seine Kleidung schlug Falten, die vorher nicht da gewesen waren und er hatte den Eindruck in das zerbrechliche Antlitz eines heranwachsenden Teenagers zu blicken, der alles andere als gesund wirkte.
Auch wenn seine Freundin versucht hatte ihn zu beruhigen, ein mulmiges Gefühl blieb, als er schließlich das Badezimmer verließ und in das Schlafzimmer eintrat, dessen Türe schon einladend weit offen gestanden hatte. Als er über die Schwelle trat, empfing ihn das flackernde Licht grüner Kerzen, Räucherstäbchen ließen die Atmosphäre schwer werden und Daniel spürte, wie er anfing vor Müdigkeit zu torkeln. Die Luft war derartig mit einschläfernden Substanzen angereichert worden, dass er beinahe ohnmächtig umgekippt wäre. Vanessa, die sich selbst in einem leichten Nachthemd in einem Standspiegel bewundert hatte, der bis an die Zimmerdecke reichte, fuhr wie vom Blitz getroffen herum und fing ihn auf, bevor er auf den rötlichen Teppichboden aufgeschlagen wäre. „Du meine Güte, du musst dich zukünftig ein wenig früher schlafen legen, mein kleiner Engel. Du hast nicht die Energie um solange aufzubleiben“, wisperte sie wie eine überführsorgliche Mutter und manövrierte ihn langsam rückwärtig in Richtung Bett. „Das kommt nicht nur von der Müdigkeit, sondern auch von all diesen… Dämpfen“, bemerkte er mit schwerer Zunge und konnte am Ende nur noch unverständliches Kauderwelsch von sich geben. Er ließ sich rückwärtig auf die Matratze stürzen und Vanessa kam um das Bett herum und legte sich an seine Seite. Es war ein prächtiges Bett mit einem reich verzierten Kopfteil, vermutlich aus Mahagoni. Sie drehte sich zu ihm und zog ihn dann zu sich heran. Ein letztes Mal noch brachte Daniel die Kraft auf, diese wundervollen grünen Augen in ihrer ganzen Pracht zu ergründen, als Vanessa ihm den letzten Atem raubte. Ihre Arme schlossen sich ganz fest um seinen Körper und er war nicht mehr in der Lage, seine Arme zu bewegen, selbst wenn er noch die Muße dazu gehabt hätte. Sie presste ihn fest an ihre Brust, ließ ihn ihre viel größere Kraft spüren, ohne ihm auch nur einen Moment lang Schmerzen zu bereiten. „Jetzt mach doch endlich deine Augen zu, mein süßer kleiner Engel, träum was schönes und morgen schauen wir dann, wie nahe du an meine Idealvorstellung herangekommen bist.“
Er meinte noch schemenhaft wahrgenommen zu haben, wie sich ihre Lippen zu einem flüchtigen Kuss spreizen wollten, als er mit einem Mal von Dunkelheit umgeben war.
Er versuchte eine Lichtquelle in der vollkommenen Finsternis umher auszumachen, doch er konnte nicht einmal Konturen der Umgebung ausmachen, so undurchdringlich war die Schwärze. Wieder quellte die Furcht in ihm auf, die schützende Hand, die sie an dem Ausbruch in seinem Inneren während des Tages bewahrt hatte, war nun fort. Und er war wieder allein, allein mit seiner Angst.
Urplötzlich hob Licht an. Es war ein unschönes, blutrotes Licht, das kegelförmig aus großer Höhe herab fiel. Nun war er auch in der Lage, seine Umgebung genauer zu erkennen. Schattenhaft sah er die Umrisse einiger spitzer Felsen, die sich um ihn her auftürmten wie Furcht erregende Ungeheuer. Er spürte, wie ihn etwas beobachtete. Er fühlte sich, als würden unsichtbare Augen jeden Zentimeter seines Körpers mustern. Doch wozu? Um eine Schwachstelle auszumachen? Versuchte das Wesen, was immer es auch war, sich auf einen Angriff aus dem Hinterhalt vorzubereiten? Das Adrenalin ließ seine Wahrnehmung immer klarer werden, die Kälte, die durch seine Adern floss, war nicht mehr auszuhalten, also entschloss er sich dazu, wie ein in die Enge getriebenes Tier in die Offensive zu gehen. Er beugte sich herab und hob einen scharfzackigen, schwarzen Felsbrocken vom Boden auf. Er nahm ihn in seine stärkere, rechte Hand, bereit dazu ihn auf die Bestie zu schleudern, die zweifelsohne hinter einem dieser schwarzen Felsen auf ihn lauerte. Unter Aufbringung all seines Mutes rief er in die blutrote Umgebung hinein. „Also gut, ich weiß, dass du hier bist, ich kann deine Aura spüren. Zeige dich, du Ungetüm. Was auch immer du bist, ich lasse mich von dir nicht einschüchtern.“
Da hob ein kaltes, herzloses Lachen an, ein Lachen das ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Wie gelähmt stand er da und versuchte seine Herkunft zu orten, doch das Echo, das von den Felsen erzeugt wurde, machte das ganze Unterfangen sinnlos. „Ich bin hier“, sagte die kalte Stimme und eine schattenhafte Gestalt trat hinter einem der Felsen hervor, die ihm am nächsten waren. Er hob die rechte Hand mit dem Stein, bereit dazu alle Kraft in den Wurf zu legen, als er erkannte, wer da auf ihn zukam. Aber das konnte nicht möglich sein. Er war so überrascht, dass er die Hand mit dem Stein einfach wieder sinken ließ. Er stand einem Abbild seiner selbst gegenüber, das noch seine alte Größe zu haben schien und in einen schwarzen Mantel gehüllt war. Sein Gegenüber blickte verächtlich zu ihm und verschränkte die Arme vor der Brust, wohl um etwas sehr dringliches zu erklären. Für Daniel war es die merkwürdigste Situation, die er sich in diesem Moment vorstellen konnte.
„Aber… du bist ja ich“, stammelte er perplex und blickte seiner selbst noch immer fassungslos an. „Nicht ganz“, antwortete der Doppelgänger mit der kalten Stimme. „Ich bin nur ein Teil von dir. Ich bin deine Selbstbestimmung, wenn du so willst. Dein Ego. All das, was dich ausgemacht hat, bevor du in die Fänge dieser Frau geraten bist.“
„Und weswegen wirkst du so abweisend? Ich kann mich nicht erinnern, in der Vergangenheit so verbittert gewesen zu sein“, gab Daniel nachdenklich zur Antwort und Zorn blitzte in den Augen seines Gegenübers auf. „Du Dummkopf!“, schrie ihn sein Abbild an und aus unvorstellbaren Höhen rieselte ein wenig Staub herab. „Merkst du denn nicht, dass du mich zu einem Sklaven dieser Dahergelaufenen machst? Hast du denn überhaupt keinen Stolz mehr in dir?“ Daniel war wirklich zutiefst erschüttert. War es wirklich so? Wollte Vanessa etwa seine bisherige Persönlichkeit zerstören und ihn zu einem willenlosen Sklaven erziehen. Er versuchte eben noch seine Gedanken zu ordnen, als ein heller Lichtblitz vom finsteren Himmel zuckte und mit einem Male Vanessa in der Szenerie erschien, in all ihrer Schönheit. Sie war in ein hellblaues Kleid gehüllt und verströmte ein reines, goldenes Licht, dass der Umgebung all ihre Bedrohlichkeit entzog.
Daniel war geblendet von dieser plötzlichen Erscheinung und kniff die Augen zusammen. Er hielt sich die Hand vor sein Gesicht und konnte erst nach einigen Momenten wieder hinsehen, als sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten.
Ein Sturm hob an, ein echter Wirbelwind, der sich zwischen Daniels Abbild und Vanessa in der Mitte des Raumes bildete.
Das Mädchen wandte sich dem Abbild zu und ihre engelsgleiche Stimme wurde so von den Felsen reflektiert, dass sie sich anhörte wie eine mächtige Göttin. „Es ist nicht so, wie du behauptest! Du bist nicht seine Selbstbestimmung. Vielmehr bist du das, was ich noch nicht ausmerzen konnte mit der Macht der Liebe. Du bist die Angst und der Selbstzweifel und nur indem ich dich vernichte, kann ich unsere gemeinsamen Träume verwirklichen. Sie hob ihre Hände und sammelte das goldene Licht in ihnen, das sie noch immer umflutete. Eine flammende Kugel bildete sich zwischen ihren grazilen Fingern und die Energie, die der Lichtball verströmte war so stark, dass sich Daniel die Nackenhaare aufstellten.“
„Siehst du was sie tut Daniel? Sie versucht mich zu vernichten. Es ist noch schlimmer, als ich vermutet hatte. Lauf, lauf so schnell dich deine Beine tragen, noch ist es nicht zu spät.“
In die kalte Stimme des Abbilds hatte sich unverkennbar ein ängstlicher Unterton gemischt, doch es war zu spät. „Jetzt schweig schon endlich“, rief Vanessa in gebieterischem Ton und schleuderte den Lichtblitz auf das Abbild. Unter einer gewaltigen Explosion, die mehrere Felsen umher zerbersten ließ, wurde die Erscheinung vernichtet und hinterließ nichts als einen qualmenden Krater. Vanessa wandte sich mit einem himmlischen Lächeln zu Daniel um und kam in großen Schritten näher. Sie ragte über ihm auf und strahlte wie eine Königin auf ihn herab. „So, das ging ja eben noch einmal gut“, sagte sie sanft und wollte ihm eben mit der Hand durchs Haar fahren, als erneut silberhelle Flammen vor seinem inneren Auge aufloderten, Schmerzen wie von glühenden Schwertern seine Venen durchzogen und seine Haut sich erneut für einige Momente wie flüssiges Wachs anfühlte. Er war geblendet und konnte nichts mehr sehen. Er schrie, schrie aus Leibeskräften in der Hoffnung, den Schmerz so besser ertragen zu können und dann. „Aaaah!“, rief Daniel, setzte sich ruckartig auf und konnte mit einem Mal wieder sehen. Es dauerte eine ganze Weile, bis er registrierte wo er war. Er befand sich wieder in Vanessas Schlafzimmer, das vom Tageslicht durchflutet war. Seine Atmung war zunächst unregelmäßig und er stelle fest, dass er schweißgebadet war. Und da war wieder die engelsgleiche Stimme der Frau, die sorgenvoll neben ihm kniete.
„Alles in Ordnung, Liebling? Du hast die ganze Nacht im Schlaf gemurmelt und ich konnte dich nicht wachrütteln. Ich habe mir schreckliche Sorgen um dich gemacht.“ Er sah zu ihr auf und konnte erkennen, dass in den grünen Augen noch Tränen glitzerten. Ansonsten fiel ihm auf, dass sie bereits fertig angezogen war. Sie trug heute ein grünes Top zu ihrer Jeans und war bauchfrei unterwegs, ein Anblick, an dem Daniel zunehmend Gefallen fand, nun da er wieder halbwegs bei Sinnen war. Er entschloss sich, Vanessa allumfassend von seinem Erlebnis der letzten Nacht zu erzählen. Gebannt lauschte sie seinen Worten und ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen als sie hörte, dass Daniel erneut schreckliche Schmerzen verspürt hatte. „Oh nein“, seufzte sie matt, „es tut mir so unendlich leid mein Schatz.“ Sie streichelte ihm liebevoll durchs Haar. „Ich habe dich vielleicht in der letzten Nacht zu heftig umarmt oder der Kuss war vor dem Einschlafen noch zu viel. Ich weiß es nicht. Jedenfalls schienst du innerlich noch immer nicht bereit gewesen zu sein, dich mir hinzugeben. Da haben wir noch ein gutes Stück Arbeit vor uns, aber es ging ja alles noch einmal gerade so gut.“
Sie stand auf und bot ihm ihre Hand an. Eines wollte er dann aber doch noch wissen. „Hast du dasselbe gesehen, wie ich?“, fragte Daniel. „Natürlich habe ich das“, antwortete Vanessa freudestrahlend. „Ich habe zwar versucht dich vorher noch wachzurütteln, aber als ich gesehen habe, dass ich es nicht schaffe, habe ich mich dazu entschlossen, dich eigenhändig aus deinem Traum zu befreien.“
Daniel schluckte schwer. Langsam wurde ihm Vanessa doch auch ein wenig unheimlich. „Aber wie kann das überhaupt möglich sein? Wie kannst du in meinen Traum eindringen und ihn zu deinen Gunsten beenden?“
Sie seufzte und fuhr ihm wieder durchs Haar. „Irgendwann wirst auch du verstehen, wie mächtig die Liebe sein kann. Glaubst du wirklich, es gibt diese ganzen Aussprüche umsonst die davon handeln, dass sich Paare blind verstehen und Gefühle gemeinsam durchleben? Wenn ja, dann kann ich deine Ahnungslosigkeit nur belächeln. Na komm, lass uns schauen, ob sich das ganze wenigstens ausgezahlt hat.“ Sie zog ihn auf die Beine und Daniel merkte sofort, dass er um einiges an Körpergröße eingebüßt haben musste. Und tatsächlich. Als Vanessa ihn zum Spiegel schob konnte sie sich hinter ihn stellen, ihre Arme um ihn schließen und vor Freude strahlend über ihn hinwegsehen. Er reichte ihr kaum noch bis zur Schulter.
„Na bitte ein voller Erfolg also“, frohlockte sie und drückte ihm zur Belohnung einen dicken Schmatzer auf die Wange.
Aber ein Zweifel nagte dennoch an ihm, als er sich ehrfürchtig die Stelle rieb, an der sie ihn mit ihren Lippen berührt hatte. Wollte sie ihn wirklich versklaven? Hatte sein Abbild doch einen Funken Wahrheit von sich gegeben? Eine Frage, deren Stellen ihn wohl einiges an Überwindung kosten würde…
Fortsetzung folgt.