So hallo zusammen. Nachdem mir das Schreiben meiner ersten Geschichte doch unheimlich viel Spaß bereitet hatte entschloss ich mich dazu, weitere Geschichten zu schreiben. Allerdings werde ich dem Stil meiner ersten Geschichte möglichst treu bleiben. Wem diese also nicht so gut gefallen hat, dem wird das hier vielleicht auch nicht taugen. Aber ich schreibe einfach so wie es mir gefällt und wem ich dabei eine Freude bereiten kann, dem Wünsche ich ganz viel Spaß mit der Geschichte.
Die Töchter des Nordens
1. Teil
Es sollte ein weiterer, lauer Sommertag werden. Obgleich es erst acht Uhr am Morgen war, stand die Sonnenkugel bereits hoch am azurblauen Himmel und ein sanfter Windhauch streichelte die Wipfel der hohen Nadelbäume, die dicht im wilden, skandinavischen Wald wuchsen. Thorben liebte es, seine Sommerurlaube in Finnlands rauer, atemberaubend schöner Natur zu verbringen und die Stille der Wälder hatte es ihm dabei besonders angetan. Jedes Jahr nahm er seinen kompletten Urlaub in einem Stück, um sich vier Wochen seiner ansonsten knappen Zeit in eine andere Welt zu begeben, in eine Oase der Ruhe, die er während seines stressigen Alltages unmöglich aufsuchen konnte.
Jedes Jahr besuchte er dieselbe, kleine Ferienanlage, in der man Urlaub in roh gezimmerten Blockhütten machen konnte und die finsteren Wälder des Nachts zu einer undurchdringlichen Mauer der Dunkelheit umher wurden, die ihre Geheimnisse gegen neugierige Blicke verbargen. Die Anlage lag eine Stunde nördlich von Helsinki und stets war er der einzige Besucher aus Deutschland, aber das konnte ihm nur Recht sein. Thorben war ein absoluter Einzelgänger und in der Vergangenheit schon oft von anderen Menschen enttäuscht worden. Eine Frau oder auch nur eine Freundin hatte er während seiner gesamten fünfunddreißig Jahre, die er nun schon am Leben war noch nicht gehabt und es war das einzige, was ihn vielleicht noch an zwischenmenschlicher Interaktion interessiert hätte. Wie es wohl war, geliebt zu werden.
Während Thorben dem ausgetretenen Trampelpfad immer weiter ins Herz des Waldes folgte konnte er aber freilich noch nicht ahnen, dass sich sein Leben in Kürze grundlegend verändern würde. Er war schon um sechs Uhr aufgebrochen und jeden Tag war es dasselbe Ritual, wenn er sich auf Wanderschaft begab. Er lief einfach querfeldein und ließ sich tragen. Auf diese Art und Weise hatte er in Finnlands rauer, unberührter Natur schon so manchen Wasserfall, See oder eine verwunschene Lichtung entdeckt. Aber als er heute auf diesen Pfad gestoßen war, kam dies schon einer mittelgroßen Überraschung gleich.
Sicher, der Weg machte zahllose Biegungen und war nicht besonders breit, aber die Tatsache, dass sämtliches Unterholz aus dem Weg dieses schmalen Bandes geräumt worden war, das sich dahin wand wie eine Schlange… dieser Fakt deutete doch daraufhin, dass sich öfter einmal andere Menschen in diese Wälder begaben.
Thorbens gewaltige Neugierde ließ ihm dabei leider keine andere Wahl, als dem Geheimnis auf den Grund zu gehen. Diese Eigenschaft war ihm besonders in seiner Kindheit mehrfach fast zum Verhängnis geworden, aber er konnte sie einfach nicht ablegen. Wenn dieses angeregte Flimmern in seinem Herzen anhob war es, als würde eine unsichtbare Hand die Kontrolle über seinen Köper übernehmen und ihn direkt ins Verderben lotsen.
Er folgte dem Pfad noch eine weitere halbe Stunde, bis der kleine Weg plötzlich und unaufhaltsam immer breiter wurde. Die Bäume standen in immer respektvollerem Abstand und schließlich schritt er völlig unerwartet auf eine kreisrunde Lichtung.
Thorben musste erst einmal wieder zu Atem kommen, er setzte sich auf einen Stein in der Nähe und zog eine Wasserflasche aus dem schweren Rucksack, den er mit sich trug. Es dauerte eine ganze Weile bis er die Kraft hatte, um sich seiner Umgebung genauer zu besehen.
Es war ein merkwürdiger, aber auch schöner Ort. Ein fast kreisrunder Teich lag in der Mitte der Lichtung und eine tiefblaue Lichtquelle schien sich am Grunde des Gewässers zu befinden. Eie Lichtquelle, die ihn fast magisch anzog. Neben dem Teich stand ein Kreis von Weißtannen, die sich um etwas gruppierten, das wie ein steinerner Altar anmutete.
Thorben konnte es nicht fassen, wie merkwürdig und faszinierend dieser Ort war. Er wollte eben noch aufstehen und zu dem Altar gehen, um ihn ein wenig näher zu studieren, als er zwischen den dicht stehenden Wäldern eine Erscheinung sah.
Er machte vor lauter Schreck einen Satz nach hinten und war zutiefst überrascht. Er rieb sich die Augen und hatte sich vielleicht nur getäuscht. Und tatsächlich er konnte sie nicht mehr entdecken. Seltsam, er hätte schwören können, eben noch die Gestalt einer Frau im weißen Kleid gesehen zu haben. Doch es schien alles nur Einbildung gewesen zu sein.
Doch mit einem Mal erstarrte er erneut, als er direkt hinter sich ein tiefes, bedrohliches Knurren hörte. Ganz langsam, auf das Schlimmste gefasst wandte er sich um. Die Furcht pumpte den Sauerstoff und das Blut in seine Gefäße, die er wohl gleich zur Flucht würde einsetzen müssen. Da war der Beweis! Er hatte sich nicht geirrt. Eine Frau stand hinter ihm, vielleicht zehn Meter von ihm entfernt. Er reichte der Erscheinung etwa bis zur Brust. Wenn er nicht solche Angst gehabt hätte, wäre ihm die Schönheit der geheimnisvollen Unbekannten mit den Grünen Augen, dem langen blonden Haar und dem wallenden weißen Kleid sicherlich noch mehr ins Auge gestochen. Doch das eigentlich beunruhigende war der Schwarzbär, der sich vor der großen Frau postiert hatte und angriffslustig seine Zähne fletschte. Wie eine Bürste stellte das Untier seine Nackenhaare auf und schien bereit zum Sprung.
„Hinfort mit dir“, rief die junge Frau in gebieterischem Ton und Thorben ließ sich das nicht zweimal sagen. Er nahm die Beine in die Hand und stürmte Hals über Kopf davon. Er nahm gar nicht richtig wahr, wie er geschickt über die Wurzeln am Boden sprang, denn das Trommeln der Bärenpfoten auf dem Waldboden machte ihm unmissverständlich klar, dass er nach wie vor in höchster Not war. In Windeseile hatte er den Schutz der Bäume erreicht, doch rannte er noch eine ganze Weile weiter. Völlig außer Atem lehnte er sich schließlich gegen den Stamm einer hohen Fichte, um wieder zu Kräften zu kommen. Als er sich schließlich umsah, waren sowohl der Bär als auch die Frau verschwunden.
Noch einmal atmete der Mann tief durch und fuhr sich durch sein lichter werdendes Haar. „Was in Gottes Namen war das nur?“, murmelte er halb laut vor sich hin, doch in seinem Inneren machte sich schon wieder die altbekannte Abenteuerlust breit. Wäre doch gelacht, wenn er der schönen Unbekannten nicht ihre Geheimnisse würde entlocken können.
Voller Tatendrang, allerdings auch mit der nötigen Vorsicht, begab er sich erneut in Richtung Herz des Waldes.