Noch immer standen Soldaten auf der Straße mit der Absicht, mich aufzuhalten. Das gab es doch einfach nicht. Wie sehr mußten die Männer im Krieg wohl abgestumpft sein, dass sie sich sehenden Auges dem sicheren Tod stellten, obwohl bereits einige ihrer Kameraden auf unschöne Weise ums Leben gekommen waren.
Wenn ich hier noch irgendetwas erreichen wollte, mußte ich meine Strategie ändern. Statt wahllos irgendwelche Soldaten zu erledigen, würde ich der sprichwörtlichen Schlange den Kopf abschlagen und ihren Anführer erledigen. Dieser war mir eine Zeit lang gar nicht groß aufgefallen, hatte er sich doch vorwiegend im Hintergrund gehalten und nur ab und an einen Ruf der Empörung von sich gegeben. Jedoch war kürzlich ein anderer kleiner Mann aus der Türe eines nahegelegenen Hauses getreten und die beiden schienen sich nicht sonderlich zu mögen. Ich verstand nur bruchstückhaft, worum es in ihrem Streit ging, irgendwas über Strategie und Führungsstil, aber der aufgebrachte Kommandeur schimpfte und tobte seither lautstark vor sich hin.
Hätte ich nicht jeden Moment mit Verstärkung für die kleinen Soldaten rechnen müssen, hätte ich die beiden ihre hitzige Diskussion vielleicht fortsetzen lassen.
Der kleine Kommandeur war noch so in seine wutentbrannte Diskussion vertieft, dass er meine Hand nicht kommen sah.
Ich packte seinen Kopf mit Daumen und Zeigefinger und hob ihn daran hoch in die Luft und hielt ihn vor mein Gesicht. Hilflos baumelte er zwischen meinen Fingern, dicht vor meinen Augen. Seine Waffe hatte er längst fallengelassen und versuchte vergebens meine Finger wegzudrücken, die seinen Kopf hielten. Eine unsinnige Verzweiflungstat, denn einen Sturz aus dieser Höhe würde er nicht überleben. Das spielte aber auch keine Rolle mehr, er würde ohnehin bald nicht mehr leben.
Die folgenden Worte sprach ich weniger für den kleinen Mann der hilflos vor meinem Gesicht baumelte, als viel mehr für alle Anwesende.
"Kommandeur, Du hast Dich folgender Verbrechen schuldig gemacht und wirst nun dafür gerichtet. Erstens. Du hast Dich gegen die unvergleichliche Göttin Loryelle gestellt, anstatt sie zu huldigen und ihr Respekt zu erweisen, wie es sich für einen echten Griechen gehört. Zweitens. Du hast Deine Männer in einen aussichtlosen Kampf gegen eine Göttin geführt. Möglichkeiten, die Männer zu retten, die Dir unterstellt sind, hast Du ignoriert und gefordert dass sie ihre Leben für eine sinnlose Sache hingeben. Nun denn. Ein guter Anführer geht mit gutem Beispiel voran und verlangt von seinen Männern nichts, was er nicht auch selbst tun würde. Da Du Dich selbst für einen guten Anfüher hältst, hast Du damit Dein Schicksal nun besiegelt."
Der kleine Kommandeur wimmert und fleht, gesteht ein ein unwürdiger Anführer zu sein, der sich den Posten nur durch Beziehungen und Erpressung erschlichen hatte. Dass er mich verstehe und ein Exempel zu statuieren eine unglaublich weise Entscheidung von mir sei und ich alle dort unten umbringen könne, aber ihn doch bitte verschonen möge. Er sei ja quasi Zivilist und habe sich nur einen Spaß erlaubt. Ein Feigling war er also auch noch.
Ich hatte genug gehört. Der Zwerg widerte mich an. Ich presste meine Finger zusammen und zermatschte seinen Kopf wie eine reife Taube. Auch der schicke Stahlhelm den er trug änderte nichts daran und machte ein Geräusch, wie eine leere Coladose die man zusammendrückt. Seine Schreie und das Gewimmer verstummten schlagartig. Der restliche, kopflose Körper, nun von nichts mehr gehalten, fiel in die Tiefe. Der Moment kam mir wie in Zeitlupe vor. Dann schlug er auf dem Boden auf.
Ich betrachtete angewidert meine Finger. Glücklicherweise blieb mir der detaillierte Anblick auf die zermatschten Überreste des Kopfes erspart, da er sich im plattgedrückten Helm befand, die komplett herausgequollenen Augen und vereinzelte Fleischfetzen, sowie winzige Zähne auf meiner blutbefleckten Fingespitze waren dennoch kein all zu appetitlicher Anblick. Leichte Übelkeit stieg in mir auf, die ich mit zwei bis drei mal konzentriertem Schlucken und Durchatmen niederkämpfte. Ich wischte meine Finger an einem blau gemusterten Leinentuch ab, das wohl jemand auf eiem der Dächer zum trocknen aufgehängt hatte und sehnte mich insgeheim nach einer stundenlangen, heißen Dusche.
Der Anführer, der euch diesen Wahnsinn abverlangt hat ist tot. Euch lasse ich am Leben, denn ihr müßt meine Botschaft verbreiten. Wer mich zukünftig anbetet, wie es einer Göttin gebührt, hat mein Wohlwollen. Wer sich jedoch mit mir anlegt, oder mir gar nach dem Leben trachtet, stirbt eines grausamen Todes!
Ich werde mich jetzt zurückziehen, damit ihr die Nachricht verbreiten könnt. In drei Tagen kehre ich wieder. Dann soll jeder wissen, auf welcher Seite er steht. Wenn ihr mich nicht wie eine Göttin empfangt, mache ich eure Stadt dem Erdboden gleich.
Mit diesen Worten drehte ich mich um und stapfte mit großen Schritten Richtung Stadtrand. Langsam, denn es sollte nicht wie eine Flucht aussehen, aber dennoch mit großen Schritten, die es schwer machen würden mir zu folgen. Ich hoffte inständig, dass ich schneller war als die angekündigte Verstärkung und setzte darauf, dass sie mit dem schweren Kriegsgerät in den engen Gassen nicht so schnell vorwärtskamen. Wenn die Nachricht über eine Riesin in der Stadt die Wachposten der Außenbezirke noch nicht erreicht hatte, hatte ich gute Chancen, die Stadt ohne weitere Menschenopfer verlassen zu können.
*Aaaah! Knack* Ich war in Gedanken versunken gewesen und hatte zu wenig darauf geachtet, wo ich meine Füße hinsetzte. Ein kleiner Stadtbewohner war wohl gerade um eine Häuserecke gebogen und war dann von meiner Sandale überrascht worden. Ein schneller Tod. Ok, keine unnötigen Menschenopfer mehr - ab jetzt.