Kapitel 8
Zwei Tage später saß Nitra im Zug, Kassel verlassend. Sehr zur Freude der Organisation.
Die gestrigen Probeaufnahmen waren ein Desaster gewesen. Nitras Größe und Naivität hatten die Produktion und das Aufnahmeschema ordentlich durcheinander gebracht.
Für die Folge des Märchens von Hänsel und Gretel, sie sollte Gretel spielen, hatte das Filmstudio der Glaubwürdigkeit wegen ein Knusperhaus aus echtem Lebkuchen und Zucker gebaut. Nitra, sagte man ihr, sollte davon essen, und ehe die Regie einschreiten konnte, hatte die Riesin schon das halbe Haus verspeist. "Lecker!" war ihr Kommentar gewesen, sich Unmengen von Lebkuchen in den Mund steckend.
Die Probeaufnahme für das Märchen von Rotkäppchen verlief auch nicht besser. Der speziell trainierte Wolf war ängstlich vor der zwölf Meter großen Riesin geflüchtet.
Beim Aschenputtel sah die Tanzszene mit dem Prinzen eher aus wie ein Kind, das mit einer Puppe spielte, außerdem wirkte es nicht gerade glaubwürdig, dass der Prinz, wie im Märchen, nach zwei Tanzabenden nicht mehr wusste, wie Aschenputtel/Nitra ausgesehen hatte. Schon glaubwürdig war jedoch in diesem Fall der verlorene Glasschuh, der nur einer Person im Königreich passte....
Die Geschichte mit den Siebenmeilenstiefeln konnte das Filmstudio sich ebenfalls knicken- besagte Stiefel, speziell fürs Märchen gemacht, waren Nitra ein paar Nummern zu klein.
Man brauchte zwar keine Kameratricks um die sieben Zwerge im Märchen von Schneewittchen als solche darzustellen mit Nitra als Hauptdarstellerin, aber das Problem hier war das man keinen Glassarg in ihrer Größe finden, oder herstellen, konnte.
Aber am Ende wurde alles gut. Nitra, in ihrer Dusseligkeit, hatte geglaubt, dass man für eine einstündige Fernsehfolge auch nur eine Stunde Dreharbeit brauchte. Die Regie und der Fernsehproduzent waren erleichtert, als sie, sich entschuldigend, sagte, dass sie am Tag danach Kassel verlassen würde um ihre Reise durch Deutschland fortzusetzen. Als Kompromiss bot man ihr an, ihr ein Märchenbuch der Gebrüder Grimm zu schicken, natürlich ihrer Größe entsprechend. Nitra hatte das Angebot dankend angenommen.
Jetzt musste der Sender einen neuen Wettbewerb organisieren. Man brauchte einen anderen Ringer, da der Knochenbrecher sich derzeit in Therapie befand um seinem Selbstrespekt wiederzubekommen. Und in den angepassten Regeln war es Riesen und vor allem Riesinnen strengstens untersagt, mitzumachen....
Nitra, im Zug, fand es einerseits Schade, dass sie nur wenig von Kassel gesehen hatte, aber immerhin hatte sie wieder etwas gelernt. Die Gebrüder Grimm waren auch schon tot, und Fernsehfolgen, welche nur eine Stunde dauerten, brauchten länger um aufgenommen zu werden.
Sie freute sich auf das Märchenbuch und auf ihr nächstes Ziel. Köln.
ENDE (vorläufig).