Nitras Reisen 2, Berlin. Kapitel 2

  • Kapitel 2


    Das Hotel lag relativ dicht am Bahnhof, ein Riese brauchte knapp fünf Minuten zu Fuß. Klar, Nitra musste aufpassen das sie vorsichtig, und nur über den Gehweg, lief damit sie nichts zertrat oder wieder mit ihrer Tasche irgendetwas rammte. Das klappte.

    Wie jenes Hotel in Hamburg hatte auch dieses Zimmer für sowohl Menschen als Riesen, und Nitra wurde von einem freundlichen Rezeptionisten zum Zimmer gebracht. Sie fragte dieses Mal nicht ob man ihre Tasche trug und ihre Schuhe putzte. Sie hatte schon gelernt, dass man das üblicherweise nicht machte. Nachdem die junge Riesin ausgepackt, sich gewaschen und umgekleidet hatte ging sie die Stadt erkunden. Es war noch früh, Berlin war ja groß (was die Einwohnerzahl betrifft) und in zwei Tage war Nitra ja schon unterwegs zum nächsten Ziel, Leipzig. Also wollte sie ihre Zeit hier auskosten und außerdem noch irgendwo essen gehen.

    Natürlich war sie wieder der Hingucker auf der Straße. In Sommerkleidung, mit wackelnden Riesenbrüsten und schönes Gesicht etwa zwölf Meter hoch in der Luft. Wer würde da nicht hinschauen? Sie trug wieder ihre schweren Schuhe und der Boden bebte sanft mit jedem Schritt in ihre unmittelbare Nähe. Nitra ergötzte sich an den vielen schönen Bauwerken, schoss massenhaft Fotos und wurde -ohne das sie es merkte- selber oft fotografiert.

    Im Zentrum angekommen sah sie eine Menschenmenge und roch einen herrlichen Duft. Vor ein schönes, alleinstehendes Bauwerk, etwa doppelt so hoch wie sie selbst, stand ein Mann auf einer Holzbühne und warb durch ein Megafon für einen Wettkampf. Vor ihn standen sechs Reihen Tische und Bänke, die für Nitra natürlich viel zu klein waren um sich hinzusetzen. Hinter den Mann stand ein großer Grill, die Quelle des Duftes, wo ein Koch unzählige Hähnchen am Spieß langsam drehte. Nitra's Magen knurrte.

    "Sie können noch mitmachen," sagte der Mann enthusiastisch. "Melden sie sich jetzt bei mir, es kostet nichts, und gewinnen sie tolle Preise!"

    Nitra, die nicht von Anfang an dabei gewesen war, bückte sich und fragte jemanden in der Menge was los war. Der Mann, der sich zuerst erschrak als er sich umdrehte und ein Gesicht so groß wie er selber war sah, mit Augen wie Pampelmusen und eine Nase so lang wie sein Unterarm, blieb dennoch ruhig und erklärte, dass das KaDeWe einen Fresswettbewerb veranstaltete wegen eines Jubiläums. Der Hauptgewinn sei eine Freifahrt auf der Spree.

    "Wow!" sagte Nitra und sah hungrig auf die vielen goldbraunen Hühner, welche sich da verlockend im Grill drehten. Das war eine Chance gratis zu essen, was sich schon mal gut anhörte. Und eine Freifahrt auf der Spree klang einfach super. Sowas hatte sie eh vor zu machen, und nun konnte sie das auch noch umsonst kriegen. Oder vielleicht einen anderen Preis gewinnen, wie der Mann auf der Bühne sagte.

    "Darf ich mal durch, bitte?" fragte sie und hob einen Fuß über die Zuschauer. Die gingen ihr schnell aus dem Weg, nicht aus Anstand, aber weil Nitras riesiger Fuß, der über ihren Köpfen schwebte, bedrohlich wirkte.

    Der Ansager sah jetzt auch wie die riesige Gestalt Nitras auf ihn zukam. Die Riesin was so überwältigend, das es ihm die Sprache verschlug. Mit offenem Mund konnte er nicht helfen, unwillkürlich in ihr gewaltiges Dekolletee zu schauen als die Riesin sich vorüber bückte.

    "Ich möchte mitmachen," sagte Nitra erfreut. Der Ansager sah sie nur stumm an. Eine Riesin? Das hatte er nicht erwartet, oder gar damit gerechnet, dass jemanden von Brechia überhaupt hier anwesend sein würde. Er und Nitra hörten das amüsierte Lachen der Zuschauer nicht.

    "Äääähhh...". Mehr konnte er zuerst nicht sagen. Verdammt, was jetzt? "Einen Moment," sagte er um Zeit zu gewinnen, und ging zum Veranstalter hinter der Bühne, ein Spitzenmanager des KaDeWe's.

    Nitra sah aus ihrer Höhe wie die Beiden hinter den Grill aufgeregt miteinander redeten und wilde Gesten machten, aber sie glaubte, das war um sie als Kandidatin zu registrieren. In Wirklichkeit aber hatten die beiden eine heftige Diskussion ob ein Riese mitmachen durfte. Der Ansager hatte Beschwerden, aber der Manager, obwohl widerwillig, meinte, es gäbe kein Verbot für Riesen in den Regeln. Also musste man Nitra Wohl oder Übel mitmachen lassen. Freudlos lief der Ansager zurück zur wartenden Riesin. Er wusste jetzt, wer gewinnen würde.... Ja, sie konnte mitmachen, teilte er Nitra mit, die sich darauf freudig neben die Bänke hinsetzte.

    Kurze Zeit später fing der Wettbewerb an, wenn man es noch so nennen konnte. Denn Nitra verschlang die Brathühner vom Spieß als ob es Schaschlik war. Sogar der gefräßigste Mitstreiter, ein fetter Kerl der gleich drei Plätze auf der Bank einnahm, konnte nicht mithalten. Er musste nach sieben Hühnchen aufhören, eine Menge welche Nitra problemlos in drei Minuten verzehrte.

    Sie aß und aß mit solch einer Geschwindigkeit, dass der Koch am Grill kaum genug Zeit hatte, die Hühnchen ordentlich zu braten. Jeder Zuschauer lachte und viele filmten die wohlig essende Riesin. Der Ansager und Manager schauten jedoch nur mulmig zu, wie unzähliges Geflügel im gierigen Schlund der jungen Riesin verschwand. Als der Koch am Grill andeutete, das die Vorräte alle waren, beendete der Ansager auf Befehl des Managers den Wettbewerb.

    "Äääähhh... wir haben einen Sieger," rief er durch das Megafon. "Applaus für die junge Dame hier!"

    Nitra, die gerade wieder einen Spieß voller Hühnchen leergegessen hatte, blickte auf. Sie war überrascht als der Ansager auf ihr zeigte. Naiv wie sie nun mal war, hatte sie tatsächlich geglaubt, ein Mensch könnte sie im Esswettbewerb schlagen.

    "Wow!" sagte sie, stand auf und winkte der klatschenden Mengenmenge zu. Sie hatte gewonnen! Nun gab es eine Fahrt über der Spree umsonst!

    "Der dritte Platz ist für diesen Herrn hier, der einen Gutschein für ein Fläschchen Parfüm oder Aftershave gewonnen hat, einzulösen bei KaDeWe," sagte der Ansager und ein großer Kerl kam unter Applaus auf der Bühne. "Er hat ganze sechs Hühner gegessen!" Der Mann nahm den Gutschein dankend an.

    "Der zweite Platz ist für diesen Herrn, mit stolze sieben Hühnchen," fuhr kurz darauf der Ansager fort, auf den fetten Mann zeigend. "Er gewinnt zwei Gutscheine für eine Mahlzeit in ein Restaurant bei KaDeWe nach Wahl." Der fette Kerl holte die Gutscheine ab.

    "Und die Gewinnerin ist... NEIN! Nicht auf die Bühne, bleiben sie bitte unten!" rief der Ansager schnell als Nitra einen Fuß auf das Holzgerüst stellte und hochsteigen wollte. Die Balken verbogen sich schon unter ihrem Gewicht und das Holz knirschte gefährlich. Die Menschenmenge lachte lauthals.

    "Äääh, ja. Die Gewinnerin ist diese junge Dame hier. Mit... 140 Hühnchen...". Der Ansager sagte die letzten zwei Worte leise, wurde aber trotzdem von den Zuschauern ausgelacht. "Sie gewinnt den heutigen Hauptpreis, eine Freifahrt auf der Spree. Glückwunsch!"

    Unter Jubel nahm Nitra dankend und fröhlich den Gutschein an, der für sie kaum größer als ein Papierschnipsel war. Sie freute sich! Gewonnen!

    "Danke, das hatte ich nie erwartet," sagte sie ernsthaft. "Dabei bin ich noch nicht einmal völlig satt!" Der Ansager sah ihr nur lustlos an, die Zuschauer lachten.

    Manager und Ansager waren sich darüber einig, keine Riesen mehr mitmachen zu lassen bei zukünftigen Wettbewerben. Und froh, das sie die offensichtlich naive und tollpatschige Riesin nicht auf der Spree herum zu schippern brauchten....


    Fortsetzung folgt.

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