Kapitel 2
"Hallo," sagte das kleine Mädchen. "Du siehst traurig aus. Brauchst du Hilfe?"
Megan sah sie kurz an.
"Nein," antwortete sie und lief weiter. Das Mädchen rannte an Megan vorbei und stellte sich vor ihr.
"Oh doch!" rief sie fröhlich. "Mein Meister wird dir helfen. Er kann zaubern!"
"Hör mal Mädchen," sagte Megan seufzend. "Ich habe keine Zeit zum Spielen. Es war ein anstrengender Tag und ich will nach Hause."
"Es ist kein Spiel," antwortete das kleine Mädchen. "Komm' mit. Er lebt hier. Und mein Name ist Angela."
Das Mädchen packte Megan am Ärmel und zog ihr zur Tür eines gewöhnlich aussehenden Hauses.
"Hey, lass' das... ach, verdammt," seufzte Megan. Der Tag war schon scheiße gewesen, also konnte sie das wohl auch noch verkraften.
Megan wurde von Angela in ein großes Zimmer gebracht. Die Wände waren mit Teppiche in warme Farben, wie Orange, Purpur und Rot, dekoriert. Überall brannten Kerzen, obwohl das Tageslicht immer noch durch die Fenster schien. Im der Mitte saß eine Gestalt im Schneidersitz auf ein paar Kissen.
"Das ist Meister Hippolytus," sagte Angela und setzte sich schnell auf ein Kissen neben ihn. Sie lächelte Megan fröhlich an als sie sich hingesetzt hatte.
Hippolytus trug eine gelbe Robe, und seine Augen wurden von einer Kappe bedeckt. Ein Objekt das wie eine Wasserpfeife aussah stand neben ihn, und ab und zu nahm er einen Zug durch ein damit verbundener Schlauch.
Das Zimmer stand voller Regale, bestückt mit Bücher und merkwürdigen Gegenstände. Eine weitere Tür befand sich an Megan's rechte Hand.
Vor die beiden komischen Gestalten stand ein leerer Tisch aus Granit. Der Mann der anscheinend Hippolytus hieß, machte Megan mit einer Geste klar das sie sich auf ein weiteres Kissen, gegenüber ihn am Tisch, setzten sollte. Megan tat das, sich etwas unwohl dabei fühlend.
"Willkommen Megan," sagte der Mann. Er hatte eine angenehme Stimme. "Ich bin Hippolytus. Erzmagier. Das ist Angela, meine Schülerin. Kann ich dir etwas zu trinken anbieten?"
"Wasser, bitte," sagte Megan etwas unsicher. Sie realisierte sich nicht das der Mann wusste, wie sie hieß Stattdessen fragte sie sich, was ein "Erzmagier" wohl sei.
Hippolytus bewog kurz seine Hand und ein Glas Wasser erschien auf dem Tisch wie aus dem Nichts. Megan sah es überrascht an aber traute sich nicht zu trinken. Sie starrte nur auf das Glas. Nein! Das war nicht auf einmal so erschienen! Das musste irgendein billiger Trick sein, nur um sie zu beeindrucken.... Oder?
"Es ist einfaches Wasser. Kein Gift oder so. Trinke es ruhig." sagte Hippolytus. Er nahm wieder einen Zug aus dem Schlauch. Dieser war durchsichtig und man konnte eine braune Flüssigkeit hindurch laufen sehen. Anscheinend war diese Wasserpfeife um zu trinken statt zu rauchen.
Megan nahm widerwillig ein kleiner Schluck. Wasser, in der Tat.
"Also, du hattest einen schlechten Tag?" fragte Hippolytus.
"Ja," antwortete Megan. "Wissen sie, was passiert ist?"
"Weiß ich," sagte Hippolytus. "Obwohl ich kein Hellseher bin. Magie und Hellseherei sind zwei verschiedene Sachen." Er zeigte auf eine Kristallkugel die hinter ihn in ein Metallhalter stand. Sie war ungefähr so groß wie ein Volleyball.
"Hiermit kann ich alles sehen was in der Welt passiert. Wo immer es passiert. Aber ich kann nicht damit in die Zukunft sehen."
"Alles?' fragte Megan verblüfft.
Hippolytus nickte. "Heute sah ich dich in London, im Studio. Schrecklich wie die dort die Leute behandeln. Vor allem dir. Deshalb möchte ich dir helfen. Aber sag' mir erst mal selbst, wie es gelaufen ist."
"Sie haben mich gesehen? In das Ding da?" fragte Megan überrascht.
"Ja. Ich kann es auch als Fernseher benutzten. Um die Nachrichten zu sehen, Fernsehshows und...".
"Ab und zu guckt er sich an wie unsere Nachbarin duscht!" rief Angela und lachte lauthals.
Hippolytus schnippte kurz in den Finger und ein Eimer voll Wasser fiel aus dem Nichts auf Angela runter. Triefnass hielt das Mädchen empört den Mund.
"Wie ich sagte," fuhr Hippolytus fort, "möchte ich von dir hören, wie es gegangen ist heute."
"Ehhh," sagte Megan, überwältigt von der plötzlichen, unfreiwilligen Dusche Angela's. Aber dann fing sie an zu reden, über wie die Jury sie lächerlich gemacht hatte wegen ihrer Größe und Gesangs, und wie sehr ihr das alles frustrierte. Hippolytus hörte aufmerksam zu, während die feuchte Angela schmollte.
"Nun," sagte der Erzmagier nachdem Megan fertig war, "vielleicht gibt es einen Weg dir zu helfen. Aber erst muss ich dir ein paar Sachen erklären." Er trank erst noch kurz aus die Wasserpfeife und sprach:
"Wie ich schon sagte, ich bin ein Erzmagier. Das ist ein Meister der Zauberkunst. Ich bin der Einzige. Angela ist meine Schülerin, und sie wird die nächste Erzmagierin sein wenn meine Zeit gekommen ist. Wir leben im Verborgenen, da die Menschen ja sonst andauernd zu uns kommen würden mit ihren Problemen. Wollen wir nicht. Die meisten Menschen sollten selbst ihre Probleme lösen. Die haben ja Wissenschaft und Technologie. Psychotherapie. Familie und Freunde. Wenn das alles nicht hilft, sollte man auch nicht zu uns kommen. Das klinkt hart, das weiß ich, aber so ist es nun mal. Keine Einmischung, nur wenn wir es wollen, oder es notwendig ist."
"Ihr versteckt euch? So wie in Harry Potter?" fragte Megan. Das alles erschien ihr surreal.
Hippolytus lächelte. "Ja. Aber es gibt viele Unterschiede zwischen der echten arkanen Welt und die in Harry Potter. Sehr gute Bücher, ja. Aber es gibt keine Magieschule. Wir werden noch nicht einmal geboren mit der Fähigkeit, Magie zu wirken, wir lernen es von einem Magier...".
: Lehrlinge," sagte Hippolytus, auf Angela zeigend und sie mit einer kleinen Handbewegung trocknend, "die sorgfältig auserwählt sind. Sie hier ist eine schlaue, junge Waise, obwohl sie ab und zu etwas vorlaut ist...".
Angela blieb still.
Megan sah die beiden mit gerunzelter Stirn an und wusste nicht, was sie von all dies zu halten hatte. Wer war dieser Kerl? Ein verrückter?
"Alles, was nicht möglich sein sollte laut Naturgesetz, aber dennoch passiert, könnte Zauberei sein." fuhr Hippolytus fort, "Oder, so wie wir es immer sagen, kann man es erklären, ist es Wissenschaft."
"Er fragte mich jemanden zu suchen der traurig ist," sagte Angela auf einmal. "Ich fand dich. Der Meister will mir etwas zeigen."
"Ja. Um dir zu helfen, gebe ich dir das." Hippolytus holte ein silbernes Amulett an einen seidenen Faden aus seiner Robe. "Schau' genau zu, Angela."
Hippolytus legte das Amulett auf dem Tisch und machte seltsame Gesten darüber, unverständliche Silben murmelnd während Megan und vor allem Angela gespannt zusahen.
Dann leuchtete das Ding kurz auf. Hippolytus wiederholte die Prozedur und nahm das Amulett um es Megan zu geben.
"Es ist jetzt mit undifferenzierter Magie geladen," sagte er. "Du hast, wenn es Hautkontakt mit dir hat, einen Wunsch frei. Nur einen. Aber so oft, wie du willst. Möchtest du zum Beispiel Geld? Du kriegst Geld, immer wieder, wenn du es dir wünscht bei Hautkontakt. Willst du stärker werden? Jedes mal, wenn du das Amulett berührst, wirst du stärker wenn du dir das dann wünscht. Aber wenn du erst Geld wünscht, kannst du später nicht auch noch Kraft wünschen."
Hippolytus trank erneut. Megan nickte. "Ja, ich verstehe," sagte sie. "Aber das ist Silber, nicht wahr? Ich weiß nicht, ob ich mir das leisten...".
"Es ist umsonst," unterbrach Hippolytus ihr. "Wenn ich Geld brauche, beschwöre ich Gold und verkaufe es bei der Bank."
Megan war froh. "Umsonst" war ihr Lieblingspreis. Sie bedankte sich bei beiden und steckte das Amulett in der Tasche.
Danach sagte sie das komische Duo auf Wiedersehen und ging. Wieder auf der Straße erwartete sie, dass sie unwissend mit eine verborgene Kamerashow mitgemacht hatte, aber keiner hielt sie an und sagte "Dort ist die Kamera!". In der Dämmerung ging sie nach Hause und fragte sich, ob man sie nicht auf dem Arm genommen hatte.
Fortsetzung folgt.