Die Flucht

  • Heute präsentiere ich mal etwas völlig anderes als sonst. Es handelt sich um eine Kurzgeschichte und vor allem ist diese mit einem Ich-Erzähler. Dieser erzählt die Geschichte dazu auch noch in einem Stil, den ich sonst nie verwende. Ich hoffe, dass es euch trotzdem gefällt. Denn manchmal reicht eine Idee eben nur für eine Kurzgeschichte und benötigt eben nicht mehr Worte.

    Die Flucht

    Ich befand mich plötzlich auf einer vollen Straße. Links und rechts waren zahlreiche Autos, deren Fahrer nichts Besseres zu tun hatten, als ständig die nervende Hupe zu betätigen. Schneller kamen diese Idioten damit auch nicht voran.
    Es war einer dieser Momente, in denen man gar nicht wusste, wie man überhaupt hineingeraten war. Eben schien noch alles klar und jetzt war dort nur eine Leere in Kopf. Das Kurzzeitgedächtnis verschwunden. Zu unwichtig waren meinem Hirn anscheinend die Erinnerungen daran gewesen.
    Ich selbst hatte auch nicht die beste Laune. Schließlich stand ich im Stau und musste mit anhören, wie die anderen immer wieder ihre Hupe betätigten. Vorne Autos, hinten Autos, einfach überall Autos, mitten in der nach Abgase stinkenden Stadt.
    Dann plötzlich ein dumpfer Laut aus der Ferne. Ich war mir nicht sicher, wo her das Geräusch kam. Ich konnte auch nicht einschätzen, worum es sich handelte. Kurz darauf war es wieder zu hören, aber schon etwas lauter und Unheilvoller.
    Nach dem dritten Mal, war ich mir ziemlich sicher, dass das Geräusch von hinten kam. Mir fiel auch auf, dass auf allen Fahrbahnen die Autos nur in eine Richtung standen. So als würde man vor etwas fliehen.
    Ich versuchte meinen Rückspiegel ein wenig zu verstellen, in der Hoffnung etwas Genaueres zu sehen. Aber ich hatte keinen Erfolg. Da es vorne sowieso nicht so schnell vorwärts gegen würde, stieg ich aus meinem Auto.
    Zuerst sah ich mehrere Menschen an mir vorbei laufen. Anscheinend waren sie wirklich auf der Flucht vor etwas. Erneut war das dumpfe Geräusch zu hören. So als würde etwas schweres immer wieder auf den Boden aufkommen.
    Ich blickte weiter in die Richtung gen Horizont. Was ich dort sah, überraschte mich. Eine riesige Frau kam auf mich zu. Ihre Größe konnte ich nicht einschätzen, aber sie musste gewaltig sein. Groß genug um auch aus weiter Ferne jeden Schritt hören zu können.
    Sie war nackt. Normaler Weise wäre sie ein schöner Anblick gewesen. Sie war schlank und hatte pralle Brüste. Dazu schien sie ein engelsgleiches Gesicht zu haben. Doch mit jedem Schritt pulverisierte sie unter ihren großen, nackten Füßen alles, was diesen in den Weg kam. Im Moment waren das vor allem Autos.
    In der Zeit, in der ich fassungslos die Riesin beobachtet hatte, war diese deutlich näher gekommen. Verzweifelt versuchte ich meine Füße in Bewegung zu setzen. Ich musste Weg von dieser tödlichen Schönheit.
    Denn es schien die Riesin nicht zu kümmern, wer unter ihren Füßen zerquetscht wurde. Mit dem Auto gab es kein Entkommen. Deshalb schaffte ich es endlich, loszurennen. Ich wollte einfach nur weg.
    Links und rechts gab es aber nur hohe Hochhäuser. Weit und breit gab es keine Seitenstraße. So weit das Auge reichte, gab es nur Blechlawinen. Ich bereute es schon bald, dass ich keinen Sport betriebt.
    Mit jedem weiteren Schritt rang ich nach Luft. Die Seiten stachen recht bald und ich wurde immer langsamer. Ich hatte das Gefühl, als wäre ich kaum vorwärts gekommen. Das Bild vor mir hatte sich nicht wirklich verändert.
    Nur hinten war die Frau deutlich näher gekommen. Ihr Kopf ragte weit über die Wolkenkratzer hinaus. Ihre beiden, langen Beine glichen riesigen Säulen, die weit in den Himmel ragten. Nur um beim größten Schritt der Welt zu enden.
    Die Sonne stand so, dass mich der Schatten der Frau bereits erreicht hatte. Verzweifelt drehte ich mich um und versuchte weiter zu laufen. Doch ich war schon am Ende mit meinen Kräften. Ich wusste nicht weiter, denn das Donner jedes Schrittes dröhnte in meinen Ohren.
    Die Straße begann unter mir zu beben, wodurch das Vorankommen nur noch schwieriger wurde. Hinter mir verdunkelte die Riesin den Himmel. Immer mehr füllte sie meinen Blickfeld aus.
    Mir wurde bewusst, dass es kein Entkommen, von diesem schönen Monster gab. Ihre Füße machten alles gnadenlos unter sich platt. Sie war so groß, dass sie langsam gehen konnte und immer noch schneller war, als ein Fahrrad. Sehr langsam.
    Ich blickte nach oben. Nicht auf ihre Scheide, nicht auf ihre Brüste. Nein ich blickte zu ihrem Gesicht. Wunderschön, mit blauen Augen und von goldenen Locken umgeben, die in einem leichten Wind wehten.
    Ihre Haare glichen Seilen, die mehrere Meter lang waren. Doch je näher sie kam, desto schwieriger wurde es, dass Gesicht zu sehen. Engelsgleich und doch brutal. Elegant und doch rabiat.
    Ich sah, wie ihre schönen Füße sich hoben, nur um sich zu senken. Inzwischen war es still geworden. Jeder Mensch, den es noch nicht erwischt hatte, wartete verzweifelt auf sein Ende.
    Mit jedem Schritt wuchs meine Angst und doch war ich wie festgefroren. So sehr ich auch versuchte, ich kam nicht mehr weg. Meine Beine verweigerten mir den Dienst.
    Ihre hingegen gingen gnadenlos weiter. Ich beobachtete jeden ihrer Schritt. Ich schätzte die Entfernung auf einen Kilometer. Sie kam aber schnell näher.
    Ich versuchte im Kopf die letzten Sekunden zu zählen. Ermahnte mich aber, dass das Schwachsinn sei. Es gab noch Hoffnung. Ich musste nur im richtigen Moment loslaufen, um von ihrem Fuß erlöst zu werden.
    Ich wartete, bis ihr Fuß nicht weit von mir entfernt aufsetzte. Dann lief ich los. So schnell ich konnte. Gleichzeitig beobachtete ich, wie sich ihre Fuß langsam hob. Zwischen ihren Zehen hing Dreck, Metall und menschliche Überreste. Ein grausiger Anblick.
    Schutt fiel von ihrer nackten Sohle herab und regnete auf die plattgedrückte Erde. Von den Autos und Menschen war kaum etwas übrig geblieben. Alles war gnadenlos in den Boden gedrückt wurden. Zusammengepresst zu einer Masse. So stark unter Druck gesetzt, dass teilweise neue Stoffe daraus entstanden waren.
    „Du entkommst mir nicht.“, meinte ich die Riesin zu hören.
    Im nächsten Moment war ihr Fuß direkt über mir. Steine flogen auf mich herunter. Groß genug, um mich zu erschlagen. Es wurde immer dunkler und dunkler. Über mir war eine Decke aus dreckiger Fußsohle.
    Diese kam schnell näher und mir wurde bewusst, dass ich es nicht schaffen würde. Wie eine Falle kam der Fuß von oben herunter. Es wurde dunkel und für einen kurzen Augenblick konnte ich ihre Haut fühlen. Dann folge ein grausiger Schmerz. Obwohl ich schon längst hätte tot sein müssen, hörte ich das schmatzende Geräusch meines Körpers, der zerquetscht wurde.
    Dann sah ich, wie die Riesin ihren Fuß über den Boden rieb, so als wollte sie meine Überreste verteilen. Kurz darauf, sah ich ein engelsgleiches Grinsen in ihrem Gesicht.
    Im nächsten Moment riss ich meine Augen auf und lag in meinem Bett. Über mir ragte jenes Gesicht, welches sich vorher noch in meine Netzhaut gebrannt hatte.
    „Alles okay mit dir?“, fragte die junge Frau.
    Ich rang nach Atem und nickte. „Ja. Ich hatte nur einen Albtraum.“
    Nur ein Traum. Denn meine Freundin würde so etwas nie tun.

    Ende

    Oder doch?

  • Crank :D

    irgendwie toll mal so nen (Alb)-Traum zu haben aber auch bisel gruselig....ich fand die story toll, aber wer weiß vlt erwartet uns ja noch mehr :)

    aber schreib erstmal bei der anderen Story weiter, wobei ich es cool finde das du soviel neues im kopf hast :thumbup:

  • Ist doch toll auch mal eine kurze Geschichte zu haben - man kann sie so schnell ( und eben öfter ) lesen.
    Was mir fast abgöttisch gefällt ist das "Kurzgeschichte" endlich einmal erfüllt wurde und wirklich keinerlei Exposition stattfindet - allzu oft wird angenommen das eine kurze Geschichte automatisch auch eine Kurzgeschichte sei... [hirni]

    Was den Inhalt betrifft: "normale" aber sehr gut umgesetzte Handlung, mir gefällt vor allem der kleine Twist am Ende sehr.

  • Danke für die positive Kritik. Natürlich arbeitete ich auch weiter an der Geschichte Der Kontakt und vielleicht lasse ich irgendwann ein ganz altes Projekt wieder aufleben.
    Ich muss gestehen, dass ich nicht einmal genau darauf geachtet habe, dass es eine richtige Kurzgeschichte war. Mir fiel das Szenario einfach ein und dann habe ich es aufgeschrieben. Eventuell mache ich so etwas demnächst öfter. Denn allzu oft landet eine gute Idee in der Versenkung.
    Und es erwartet euch erst einmal nicht mehr. Die Frage am Ende soll nur euch zum Nachdenken bringen ;)

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